Interview zu Sushi
Herr Volkelt, haben Sie sich gefreut, als Ihr Chef sagte: „So mein Lieber, jetzt machen wir hier auch Sushi und Sie kümmern sich darum“?
„Ich hatte Herzklopfen in beide Richtungen. Ich fand die Idee super und freute mich auf die Herausforderung, aber ich hatte auch Respekt, ob wir das in dem ambitionierten Zeitplan hinkriegen.“
Können Norddeutsche überhaupt richtiges Sushi machen?
„Nicht alle, aber wir schon! Wir sind alle Profiköche aus der Sternegastronomie und bringen so natürlich die fachlichen Grundvoraussetzungen mit. Aber in diesem speziellen Fall haben wir uns Unterstützung von zwei echten Sushi-Meistern bzw. einer Meisterin dazugeholt. Vor allem aber muss man sich mit voller Leidenschaft in so ein kulinarisches Abenteuer stürzen. Ich selbst kenne inzwischen so ziemlich jedes Kochbuch zum Thema Sushi auswendig.“
Was macht gutes Sushi maßgeblich aus?
„Neben topfrischem Fisch definitiv der Reis! Es gibt hunderte verschiedene Reissorten allein für Sushi. Da die richtige zu finden, ist wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. 47 unterschiedliche Sorten haben wir ausprobiert. Dabei dürfen Sie nicht vergessen, dass wir auch herausfinden mussten, wie lange die Reiskörner gewaschen werden müssen, wie viel Wasser, welche Temperatur und wie viel Zeit sie zum optimalen Garen brauchen. Und das variiert von Sorte zu Sorte.“

Wie viel Reis ging denn da bei den Tests drauf?
„Kann ich gar nicht genau sagen. Jedenfalls habe ich wochenlang Reis gekocht und gegessen.“
Woran erkenne ich als Verbraucher die Qualität von Sushi? Ich kann ja nicht zur Probe reinbeißen.
„Das ist auf Basis der Optik nicht so leicht. Ganz entscheidend ist die Frische. Das Sushi darf nicht angetrocknet aussehen und die Füllung sollte nicht in der Mitte zusammengesackt sein. Beim Noriblatt gilt üblicherweise: je dunkler, desto hochwertiger.”
Apropos Noriblatt: Woher kommen die Algen für Ihr Sushi? Muss ich Bedenken wegen möglicher Strahlenbelastung haben?
„Nein, absolut nicht! Wir beziehen unsere Noriblätter aus dem asiatischen Raum, aber nicht aus Japan. Übrigens kommt auch unser Reis nicht von dort. Er kommt aus Italien!“
Wie bitte?
„Die Italiener kennen sich doch aus mit Reis, der einerseits cremig, andererseits auch noch körnig sein soll. Stichwort „Risotto“. Ähnliches gilt für Sushi. Der Reis muss ein wenig klebrig sein, damit er die Form hält. Aber er soll kein pappiger Brei sein, sondern angenehmen Biss haben. Auf dem Gebiet sind die Italiener Profis.“
Sushi bzw. roher Fisch ist ja ein sehr empfindliches Lebensmittel. Wie können Sie die Qualität von der Manufaktur bis zum Teller daheim sicherstellen?
„Einer unserer Vorteile ist, dass wir hier vor Ort in Bremerhaven produzieren. Damit sparen wir Transportzeit. Sushi wird bei uns in der Nachtschicht hergestellt und morgens direkt ausgeliefert. Wir sparen also an jeder einzelnen Stunde. Der zweite unglaublich große Vorteil ist, dass wir direkt an der Quelle von bestem Fisch sitzen. Wir können uns darauf verlassen, dass die Rohware strengstens kontrolliert ist, weil wir diese Kontrollen selber durchführen. Last, but not least wird unser Sushi unter besonderen Hygienebedingungen hergestellt. Die Raumtemperatur beträgt immer um die null Grad, die für Sushi zuständigen Mitarbeiter sind komplett in Schutzkleidung vermummt und außer ihnen darf niemand diesen Produktionsraum betreten.“
Woher wissen Sie, wie viel Sie von welcher Sorte produzieren müssen?
„Wir produzieren das Sushi immer direkt auf Bestellung. Das heißt, der Händler oder Gastronom sagt uns heute, wie viel er von welcher Sorte braucht, wir rollen die Teile über Nacht und morgen hat er die Ware topfrisch auf dem Tisch. Und wir verschwenden keine Lebensmittel, indem wir unnötig produzierte Überschüsse wegwerfen.“
Welche Sorten sind besonders beliebt?
„Maki und Nigiri mit Lachs.“

Gibt es neue Trends?
„Oh ja. Wir kombinieren zum Beispiel mit Spezialitäten aus unserer Manufaktur wie Sushi mit Graved Lachs und Honig-Senf-Sauce. Ein großer Trend ist auch vegetarisches Sushi, also mit Gemüse, eventuell noch mit Omelette gefüllt. Unser neuester Coup sind „Handrolls“, das ist Sushi im Format eines Wraps. Sehr praktisch als Snack für unterwegs."
Welche Sushi-Sorte würden Sie erfinden, wenn Sie freie Auswahl hätten?
„Ich würde eine California Roll in grünem Matcha-Tee-Pulver wenden. Das dürfen Sie aber auf gar keinen Fall unseren Sushi-Meistern verraten.”
Wieso nicht?
„Die verstehen bei Sushi absolut keinen Spaß. Für Japaner ist das eine hohe Kunst und ihre ureigene Tradition. Irgendwann habe ich mir mal erlaubt, mit einem leichten Augenzwinkern zu fragen, ob es nicht etwas übertrieben sei, dem Reis nach dem Garen mit Fächern Luft zuzufächeln. Höflich, aber innerlich empört gab man mir zu verstehen, dass ich – typisch Europäer – scheinbar völlig ahnungslos sei."
Zu welchen Anlässen serviert man Sushi?
„Sushi gilt als gesunder Mittagssnack. Reichlich Kohlenhydrate und Eiweiß, wenig Fett, dazu viele wichtige Mineralstoffe: der perfekte Imbiss für gestresste Kopfarbeiter. Viele bestellen Sushi auch als Alternative zum schnöden Pizzaservice. Und edel geht’s natürlich auch, zum Beispiel im Flying Buffet mit etwas Algensalat und Dipp als kleines Häppchen angerichtet."
Eignen sich bestimmte Fische besonders gut zur Zubereitung von Sushi und wenn ja, warum?
„Die Klassiker sind Makrele, Lachs, Heilbutt und Thunfisch. Aber auch Dorade, Wolfsbarsch oder Steinbutt schmecken köstlich als Sushi. Die Hauptsache ist einfach, dass der Fisch topfrisch ist."
Kann ich Sushi im Kühlschrank aufheben, wenn etwas übrig bleibt?
„Wenn es Sushi von Deutsche See ist, schon. Im Ernst: So wie wir unser Sushi zubereiten, bleibt es einige Tage frisch. Natürlich müssen Sie das Haltbarkeitsdatum beachten. Außerdem sollte das Sushi nicht ewig bei Zimmertemperatur herumstehen, bevor es zur Aufbewahrung im untersten Fach (!) des Kühlschranks landet. Aber kaufen Sie Sushi nie auf Vorrat, ganz frisch schmeckt es mit Abstand am besten."
Martin Volkelt

Zusammen mit seinem Team erfindet er neue Spezialitäten oder greift Ideen und Trends auf. Seit 18 Jahren ist er an Bord, davor hat er als Koch in der gehobenen Gastronomie gearbeitet. Seine Karriere führte ihn unter anderem „Zur Traube“ in Grevenbroich (damals 19,5 von 20 Punkten im Gault Millaut), in das „Vier Jahreszeiten Hamburg“ (zwei Michelin-Sterne), in die „Auberge du Cheval Blanc“ ins Elsass (zwei Michelin-Sterne) sowie zum „The Dorchester“ in London.
Können Sie sich noch erinnern, wann Sie zum ersten Mal Sushi probiert haben?
„Das war schon während meiner Lehre mit 17 oder 18 Jahren. Ich mochte es gleich auf den ersten Biss, aber so richtig bin ich während meiner Zeit in London auf den Geschmack gekommen. Da gab’s schon fantastische Sushi-Bars, weil der Trend dort schneller hinschwappte als aufs europäische Festland. Wussten Sie übrigens, wie es zum Durchbruch von Sushi in Europa kam? Viele Europäer mochten die Algen im Sushi nicht. Aber als die Amerikaner mit der California Roll eine Variante ohne Algen erfanden, gab’s kein Halten mehr."
Ihre persönliche Lieblingssorte?
„Unsere California Roll mit Räucherlachs und Frischkäse. Aber ganz pur – ohne Wasabi und Sojasauce, damit man den leckeren Fisch schön herausschmeckt."